Wovon träumen Tiger? – Erzählte Geschichten können ein wunderbarer Anlass sein, um mit Kindern ins Gespräch zu kommen – über Gott und die Welt.“ So beginnt die Ausschreibung einer Fortbildung für pädagogische Fachkräfte, die wir am Samstag, 01.06.2019, anbieten.

Referentin des Tages ist Susanne Tiggemann. Zum Titel der Fortbildung erzählt sie: „Dazu kam es durch eine Nachdenkfrage am Ende einer Geschichte, der Fabel vom Tiger unter Schafen. Ein kleiner Tiger, ein Waisenkind, wächst unter Schafen auf. Er hält sich selbst für ein Schaf, denn er kennt ja nichts anderes – bis eines Tages ein anderer Tiger kommt und die beiden im Wasserspiegel sehen, wie ähnlich sie sind.“ Aus so einer Fabel oder Geschichte, weiß Tiggemann aus Erfahrung,  entspinnen sich wunderbare Nachdenkgespräche.

„Mir geht es im Seminar nicht darum, die eine richtige Deutung einer Geschichte zu finden“, betont die Erzählerin. Wichtiger ist es ihr, viele Fragen zu entdecken und noch mehr Antworten zu suchen. „So können neue Erkenntnisse, Denkanstöße, Widersprüche, persönliche Standpunkte, neue Perspektiven entdeckt werden“, freut sie sich.

Grenzenlose Fantasie für eigene kleine Geschichten

„Es gibt viele, viele Geschichten, die erzählen, warum etwas so ist, wie es ist“, weiß Tiggemann und nennt Beispiele: Warum hat das Zebra Streifen? Warum brüllt der Löwe? „Kinder, gerade auch Vorschulkinder, lieben Warum-Fragen. Und das Großartige ist: Auf jede Warum-Frage können wir uns gemeinsam eine Darum-Antwort ausdenken. Und da  Fantasie grenzenlos ist, entstehen schnell eigene kleine Geschichten.“. Ergänzend zur Entwicklung der Fantasie ist beispielsweise der Blick in ein erklärendes Buch gemeinsam mit den Eltern förderlich, fügt Kerstin Hofmann, Leiterin der Familienbildung im HPH hinzu.

Ziel des Seminars mit Susanne Tiggemann ist, Kindern den Zugang zu traditionellen Geschichten und auch zu selbst erfundenen Geschichten zu erleichtern. Sie gestaltet ihre Fortbildung sehr praxisorientiert, „denn alles was ich selber erlebt und erfahren habe, kann ich auch weitergeben, wenn es mich begeistert hat.“ Sie erklärt: „Es ist meine große Hoffnung, die TeilnehmerInnen für das Spielen mit Worten und Gedanken zu begeistern.“

Seit 2005  spielt das freie Erzählen von Geschichten eine große Rolle im Heinrich Pesch Haus und bei der Familienbildung. Wir organisieren Erzählveranstaltungen für kleine, aber auch für große Menschen und konzipieren  Erzählfortbildungen für Fachkräfte und  Interessierte. Denn wir sind überzeugt: Im freien Erzählen von Geschichten liegt so viel Potenzial, um die Bildung und Entwicklung von Kindern zu fördern.

Unser Fortbildungsangebot finden Sie kompakt hier zum Nachlesen. Außer der Veranstaltung mit Susanne Tiggemann „Wovon träumen Tiger?“  haben wir auch die Grafik-Designerin Wibke Brandes gewinnen können, die am Samstag, 09.03.2019, demonstriert und anleitet, wie „Erzählen und Zeichnen“ verblüffend einfach Hand in Hand gehen können.

Im Februar und im November bieten wir wieder einen Grundkurs fürs Erzählen mit  Thomas Hoffmeister-Höfener, seit vielen Jahren als Geschichtenerzähler und Künstlerischer Leiter der Erzählwerkstatt im HPH gut bekannt, an.

„Erzählen ist in der pädagogischen Arbeit eine ganz elementare Methode“

Er erklärt: „Vorlesen und Erzählen sind wie Geschwister. Doch während das Vorlesen immer an ein Buch und damit notwendigerweise auch an einen festen Text gebunden ist, ist das Erzählen freier: frei auf meine Zuhörerschaft einzugehen; frei in der Wahl der Worte; frei jederzeit in Dialog oder Interaktion zu gehen; frei, um mit den Händen zu gestikulieren; frei, den direkten (Augen-)Kontakt mit meinen Zuhörern zu suchen. Das freie Erzählen eignet sich so auch für größere Gruppen von Kindern, während das Vorlesen eher in Kleingruppen sinnvoll ist.“

Das Besondere am freien Erzählen ist für ihn, dass jede Geschichte – ob Märchen, aus der Bibel oder aus dem Bilderbuch – frei erzählt werden kann. Denn viele Geschichten sind, bevor sie aufgeschrieben wurden, mündlich erzählt worden. „Wenn wir wissen, wie Geschichten aufgebaut sind, dann können wir sie auch erzählen“, ermutigt er, „wenn es sein muss, 1000 und eine Nacht.“

Hoffmeister-Höfeners Credo lautet: „Jeder Mensch kann erzählen. Wir tun es jeden Tag, am Telefon oder am Küchentisch.“ Etwas anderes sei es aber, wenn das Erzählen gezielt eingesetzt wird, z.B. in der pädagogischen Arbeit. „Dann heißt es, ganz bewusst eine Geschichte für eine Zielgruppe und Situation auszuwählen und vorzubereiten. Worauf muss ich beim Erzählen für Kinder achten?

Wie kann ich mir eine Geschichte merken? Wie erzähle ich so spannend, dass mir die Kinder an den Lippen hängen?“, nennt er wichtige Aspekte. Erzählen sei in der pädagogischen Arbeit eine ganz elementare Methode zum Erreichen wichtiger Bildungsziele wie Sprachentwicklung, Konzentrations- und Imaginationsfähigkeit, Wertevermittlung oder Resilienz. „Diese methodische Kompetenz kann ich lernen.“

Wichtig ist für Hoffmeister-Höfener die große Stärke des Erzählens: „Erzählen geht immer und überall. Es führt Menschen zusammen, baut Brücken und verbindet Menschen über alle Alters- und kulturelle Grenzen hinweg“ Er nennt zahlreiche Beispiele: „Immer, wenn Menschen zusammenkommen – ob im Morgenkreis in der Kita, bei der Jubiläumsfeier oder dem Familiengottesdienst – können wir erzählen.“ Alle Menschen lieben erzählte Geschichten, weiß er. „Allerdings sollten wir auch daran denken, dass viele Menschen, v.a. Kinder, das Zuhören nicht mehr gewohnt sind. Daher hilft es sehr, eine ruhige und konzentrierte Atmosphäre zu schaffen.

Erzählte Geschichten im digitalen Zeitalter

Kinder wachsen in einer digitalen Welt auf“ – eine Feststellung, die nicht diskutiert werden muss. Aber welchen Einfluss haben die digitalen Medien auf die Entwicklung der Kinder – und welche Bedeutung hat das Erzählen heute überhaupt? Das thematisieren wir an einem Fachtag am Donnerstag, 28.03.2019, gemeinsam mit Thomas Hoffmeister-Höfener. Die Leitung hat Kerstin Hofmann  inne, Diplom-Pädagogin, Erzieherin, Leiterin der Familienbildung im HPH und Mutter von drei Kindern.

Sie weiß aus beruflicher und privater Erfahrung: „Erzählte Geschichten hat eine besondere Wirkung auf die Kinder. Es nimmt sie mit in die Geschichte hinein. Durch die Aufmerksamkeit, die der Erzähler den Kindern schenkt, entsteht eine besondere Stimmung, die  Kinder sind ganz Ohr und können sich richtig lange auf das Zuhören konzentrieren. Bei uns in der Familie sind unsere Kinder die Erzähler. Sie lieben es, sich gegenseitig Geschichten zu erzählen und sich in Rollenspielen zu verschiedenen Themen Wörter und Sätze in den Mund zu legen.“