Täglicher Gewissenskonflikt bei der Kita-Betreuung
Wie genau definiert man "dringenden Bedarf?"
Es ist ein Spagat, den wir Eltern im Lockdown zu bewältigen haben. Neben Homeoffice und Homeschooling sollen wir auch noch unsere Kita-Kinder zu Hause betreuen. Gleichzeitig bleiben die Kitas aber im „Regelbetrieb bei dringendem Bedarf“ offen. Die Entscheidung, was genau ein „dringender Bedarf“ ist, liegt bei den Eltern. Die Leiterin unserer Familienbildung, Kerstin Hofmann, schreibt hier, warum das für sie keine gute Lösung ist.
„Alle Eltern sollen möglichst eine Betreuung zu Hause sicherstellen.“ – Diesen dringenden Appell hat das Land Rheinland-Pfalz am 11. Januar an die Eltern von Kita-Kindern gerichtet. Die Kitas sind allerdings nicht geschlossen, sondern befinden sich in einem „Regelbetrieb bei dringendem Bedarf“. Ein Nachweis dieses Bedarfs durch die Eltern sei nach wie vor nicht erforderlich. „Wir knüpfen an die Erfahrungen der vergangenen Wochen an, die gezeigt haben, dass die Eltern sehr verantwortungsvolle Entscheidungen fällen und solidarisch sind“, heißt es in dem Schreiben weiter.
Für mich ist das ein unverbindlicher Appell, welcher die Unsicherheit und Unzufriedenheit der Eltern vorantreibt. Habe ich dringenden Bedarf? Ja, natürlich habe ich diesen. Bei drei Kindern, davon zwei im Homeschooling, und einem Ehemann, der abwechselnd mehrere Tage unterwegs oder im Homeoffice ist. Und nicht zu vergessen als Mutter, die in leitender Funktion zwar in Kurzarbeit und voll im Homeoffice zu Hause ist, jedoch mit vielen Mails, Telefonaten und Videokonferenzen mehr als beschäftigt.
Ein Eiertanz
Natürlich kann man jetzt der Meinung sein, naja, da kann der „Kleine“ mit seinen fünf Jahren ja wohl auch zu Hause bleiben und dort betreut werden. Das ist doch kein dringender Bedarf. Und genau hier komme ich zu dem Punkt, der in der derzeitigen Situation viele Elternteile verärgert. Die Regierung überlässt diese Entscheidung ihnen, zieht sich selbst aus der Verantwortung. Es gibt keine klare Linie, die den Eltern die Entscheidung erleichtern würde.
Klare Leitlinien zur Notbetreuung hätten den Vorteil, dass Eltern etwa in systemrelevanten Berufen einen Anspruch darauf hätten – und wenn es keinen Kitaplatz gibt, eben auch mit ihren Kindern zu Hause bleiben könnten, ohne Probleme mit ihrem Arbeitgeber befürchten zu müssen. Aktuell befinde ich mich täglich in diesem Gewissenskonflikt ob ich mein Kind in die Kita bringen kann oder nicht.
Es gibt viele Mütter, auch Väter, denen es so geht. Wie der Elternteil, der in Elternzeit ist und „nicht mal arbeitet“. Trotzdem hat er das Bedürfnis, seine beiden älteren Kinder in die Kita zu geben, da sie sich zu Hause langweilen. Oder was ist mit dem Einzelkind, das überhaupt keinen Spielpartner hat?
Für mich ist klar: Die Frage, ob der Bedarf denn nun dringend sei, wird wohl nicht zu klären sein. Ich appelliere nur an alle Eltern, gut auf sich und ihre Kraftreserven zu achten.
Kerstin Hofmann
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