„Ein fantastischer Anblick, ein volles Haus“, freute sich Bürgermeisterin Prof. Dr. Cornelia Reifenberg bei ihrer Begrüßung über die fast 200 Teilnehmenden aus verschiedenen Fachgebieten: „Sie vernetzen sich zum Wohle von Kindern und Jugendlichen, um die Hilfe anzubieten, die notwendig ist“, sagte die Jugenddezernentin. Und diese Hilfe ist gerade mit Blick auf psychische Erkrankungen wichtiger denn je, wie die Zahlen zeigen.

So haben die Fehlzeiten aufgrund einer psychischen Erkrankung im vergangenen Jahr einen Höchststand erreicht. Circa 25 Prozent aller Minderjährigen, so führte Cornelia Reifenberg aus, seien von einer psychischen oder Suchterkrankung eines Elternteils betroffen. „Mehr erkrankte und psychisch belastete Erwachsene bedeuten mehr belastete Familien und damit erhöhte Herausforderungen für das Zusammenleben von Eltern und Kindern“.

Besonderen Belastungen und Gefährdungen sind dabei die betroffenen Kinder ausgesetzt. Das frühzeitige Erkennen und Einordnen psychischer Verhaltensauffälligkeiten der Eltern und ihrer Kinder bildet die Voraussetzung für wirksame pädagogische und therapeutische Interventionen. Mit Dr. Michael Hipp war es dem Organisationsteam mit Sabine Herrle, Jana Sand, Susann Schmidt gelungen, einen ausgewiesenen Experten als Referenten zu gewinnen.

„Jede psychische Erkrankung geht mit einer Beziehungsstörung, also einer Kontaktstörung, einher. Die Kontaktstörungen betreffen alle Bereiche“, leitete der Arzt für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie seinen Vortrag ein. Psychische Erkrankungen seien immer Familienerkrankungen. Bei Eltern mit psychischen Erkrankungen, vor allem mit traumatischen Erfahrungen in den frühen Lebensphasen, komme es zu einer nachhaltigen Beeinträchtigung ihrer Beziehungsfähigkeit. Hinzu treten Störungen der Stressregulation, der Mentalisierung und der Identitätsbildung. Im ersten Teil seines Vortrags schilderte er die Auswirkungen des elterlichen Fürsorgeverhaltens auf die Entwicklung der Kinder. „Wir haben es nicht mit gesunden Kindern zu tun“, betonte er. Viele seien schon vorgeburtlich dreifach belastet, durch epigenetische Veränderungen, durch Stress und Suchtmittelkonsum der Mutter.

Daraus ergebe sich für die Fachkräfte die Frage, wie der Kontakt zu den Familien und der Kontakt zwischen Eltern und Kindern gestaltet werden könne. Hier gab Hipp den Teilnehmenden klare Verhaltensleitlinien an die Hand: „Wenn Gewalt im Spiel ist, können Sie gar nichts machen“, berichtete er aus seiner Praxis. Sicherheit sei das oberste Gebot. Dazu müsse man zuerst auf die Eltern, dann auf das Kind schauen. „Wie können wir die Eltern befähigen, dass sie sich beruhigen? Wie können wir Sicherheit in die Familien bringen“, skizzierte er die Aufgaben der Jugendhilfe. So müsse die Hilfeplanung von Anfang an transdisziplinär und als multiinstitutionelle Kooperation im Netzwerk erfolgen. „Ohne Begleittherapie wirken Hilfen nur so lange, wie sie angeboten werden“, betonte er.

Und auch die Fachkräfte und ihre Bedürfnisse vergaß er nicht – Qualifizierung und eine hierarchische Absicherung mit unbefristeten Verträgen sind hier ebenso wichtig wie ausreichende Teamzeiten, Supervision und Selbstfürsorge.(ako)