„Die schlimmsten Verletzungen fügen Drogen Menschen zu, die selbst keine Drogen nehmen: Es sind die Kinder von Alkoholkranken oder anderen Süchtigen.“ Das steht auf der Internetseite von NACOA Deutschland, der Interessenvertretung für Kinder aus Suchtfamilien e.V.
Der Verband nennt erschreckende Zahlen: „In Deutschland leben heute schätzungsweise 2,65 Millionen Kinder mit alkoholkranken Eltern unter einem Dach. Noch einmal 40.000 bis 60.000 Kinder haben Eltern, die von illegalen Suchtmitteln abhängig sind. Fast jedes sechste Kind kommt aus einer Suchtfamilie. Kinder suchtkranker Eltern – sie heißen auch Children of Addicts (COAs) – sind die größte bekannte Sucht-Risikogruppe. Ihr Risiko, als Erwachsene selbst suchtkrank zu werden, ist im Vergleich zu Kindern aus nichtsüchtigen Familien bis zu sechsfach erhöht.
Konkret bedeutet das laut NACOA:
– Etwa ein Drittel dieser Kinder wird im Erwachsenenalter alkohol-, drogen- oder medikamentenabhängig.
– Ein Drittel entwickelt psychische oder soziale Störungen (teilweise überlappend mit dem ersten Drittel).
– Ein Drittel kommt mehr oder weniger unbeschadet davon.
– Viele erwachsene Kinder aus suchtbelasteten Familien suchen sich wieder eine/n süchtige/n Lebenspartner/in, kämpfen mit psychosomatischen Störungen, nichtstofflichen Abhängigkeiten und tun sich allgemein schwer, ihren Platz im Leben zu finden.
Die Kindersuchthilfe nennt weitere Schwierigkeiten, mit denen Kindern aus suchtbelasteten Familien zu kämpfen haben: Sie neigen zu Hyperaktivität, Aufmerksamkeitsstörungen und Störungen des Sozialverhaltens, fallen oft durch mangelnde Leistungen und unangemessenes Verhalten auf, werden fast doppelt so häufig wegen psychischer Störungen in Krankenhäuser eingewiesen oder bleiben auffällig oft einsam und sind übermäßig selbstkritisch.
NACOA folgert daraus: „Wenn Eltern suchtkrank sind, leiden die Kinder.“ Aber auch: „Diese Kinder haben gute Chancen, sich zu gesunden, reifen, lebenstüchtigen Erwachsenen zu entwickeln, wenn sie entsprechend unterstützt werden.“
Suchtberatung im Caritas-Zentrum Ludwigshafen
In vielen Themen arbeitet die Familienbildung im HPH eng mit dem Caritas-Zentrum Ludwigshafen zusammen. Die Einrichtung hat in seinem Hilfeangebot unter anderem die Suchtberatung. Dort erhalten Betroffene zum Thema „legale Suchtmittel“ professionelle Hilfe, und auch Partner und Ihre Familienangehörige können sich an die Beratungsstelle wenden.
Das Angebot umfasst unter anderem Einzel-, Paar- und Familiengespräche, Informationen zu Suchtmitteln, Beratung zum Thema „Kontrolliertes Trinken“, Vermittlung in stationäre oder teilstationäre Einrichtungen, ambulante Rehabilitation direkt bei Caritas, Nachsorge nach stationären Aufenthalten und Rückfallprävention sowie eine Online-Beratung.
Im Jahr 2017 wurden in der Suchtberatung des Caritas-Zentrums Ludwigshafen 377 Kund/Innen beraten, weitere 14 Hilfesuchende wurden durch Onlineberatung erreicht.
Gruppenangebot für Kinder
Zudem bietet das Zentrum seit September 2014 Gruppenangebote für Kinder aus Suchtfamilien an. Diese Gruppen stärken das Selbstvertrauen der Kinder und lassen ihnen altersgerechte Informationen über Sucht zukommen.
Die Kinder haben die Möglichkeit zum Austausch mit anderen betroffenen Kindern und jungen Erwachsenen, sagt Viola Luther, die die Gruppe leitet. Sie sind zwischen neun und zwölf Jahre alt und treffen sich wöchentlich für 90 Minuten. Der Ablauf der Treffen ist am Anfang immer der Gleiche: Jedes Kind kann mit Hilfe von verschiedenen Medien wie etwa Emotionskarten erzählen, wie es ihm gerade geht, was ihm Freude oder auch Sorgen macht.
Denn die Sorgen der Kinder sind vielfältig. Zugleich ähneln sie sich häufig, weiß die Sozialarbeiterin Luther und zählt einige auf: Sie haben Angst, dass Freunde zu Besuch kommen und die Eltern sich beschämend verhalten könnten. In der Schule sind sie mit den Gedanken zu Hause und überlegen, was dort gerade Schlimmes passiert oder bald passieren wird. Sie beneiden andere Kinder oder sind eifersüchtig, wenn sie Spaß und Leichtigkeit mit ihren Eltern erleben. Sie fühlen sich als Kind unter Gleichaltrigen isoliert, abgewertet und einsam. „Im schlimmsten Fall drohen schwere Folgeerkrankungen bis hin zum Tod“, sagt Luther.
„Nach dem Ankommen bearbeiten wir ein Thema, das ich vorbereitet habe oder das ein Kind gerade beschäftigt. Im Anschluss gibt es eine gemeinsame Pause mit Obst, Getränken und ein paar Süßigkeiten.“ Zum Schluss wird gespielt, gebastelt oder das gemacht, was sich die Kinder gerade wünschen. Und dabei geht es darum, Spaß zu haben, mit anderen Kindern zu spielen, lachen, tanzen, oder singen, auf jeden Fall unbeschwert zu sein. „Dieser Punkt ist sehr wichtig“, betont Viola Luther. „Denn die Kinder haben oft verlernt. Kind zu sein. Denn sie tragen meist schon sehr früh viel Verantwortung.“
Zusammenfassend sagt sie: „Die Freude und die Ressourcen der Kinder stehen im Mittelpunkt. Es ist wichtig, die Kinder nicht auf die Erkrankung ihrer Eltern zu reduzieren. Die Sucht nimmt den größten Part in der Familie ein. Deswegen bietet die Gruppe den Kindern Freude und Verlässlichkeit und stärkt sie als Person. Ich möchte die Ressourcen und Kompetenzen der Kinder fördern. Und genauso wichtig ist, dass sich die Kinder in der Gruppe austauschen – ihre positiven Erfahrungen, Freude im Alltag sowie in der Familie.“