„Jungen brauchen klare Ansagen“ – der Titel eines Buchs des Jungenforschers Reinhard Winter war auch Thema eines Vortrags bei der Familienbildung im HPH mit fast 90 Teilnehmenden. Denn der Bedarf an Schulen an diesem Thema scheint groß: Es gibt immer wieder Klagen über Jungen, die sich schlecht konzentrieren, den Unterricht stören, Unordnung und Unruhe bringen und auf dem Schulhof und im Klassenzimmer gewalttätige Raufereien veranstalten.

Typisch Junge?

„Gibt es das also: typisch Junge?“ Dieser Frage geht Reinhard Winter nach, und er beginnt seine Ausführungen immer mit der Frage, was Jungen überhaupt sind – und mit der Antwort: „Sie zählen zur Gattung Mensch!“ Sie verdienen also Respekt und Wertschätzung. Die Frage, wie auf Jungen im Schulalltag eingegangen werden kann und muss, ist Teil des Projekts „Familienbildung und sozialräumliche Vernetzung durch Grundschulen in drei Stadtteilen“, das die Familienbildung im HPH in Kooperation mit dem Stadtjugendamt Ludwigshafen durchführt. Finanziell und ideell wird es unterstützt vom rheinland-pfälzischen Ministerium für Integration, Familie, Frauen, Jugend, Integration und Verbraucherschutz.

Alle Teilprojekte verfolgen das gleiche Ziel: Kinder (und ihre Eltern) sollen die Schule und ihren Stadtteil, in dem sie leben, als Lern- und Lebensort, als ein Stück Heimat erleben. Das gilt vor allem – aber nicht nur – für Kinder und Familien mit ausländischen Wurzeln. Entsprechend groß war die Resonanz auf den Vortrag mit Diskussion mit Reinhard Winter: Die vier beteiligten Grundschulen haben ihre gesamten Kollegien entsandt und den Nachmittag als schulinterne Fortbildung betrachtet. Hinzu kamen Schulsozialarbeiter, Lern- und Lesepaten, die auch Teil des Projekts sind, sowie Vertreter verschiedener Kooperationspartner.

Der Referent und Diplom-Pädagoge warnte zwar davor zu pauschalieren; aber die Tendenz sei deutlich, dass Jungen eher als Rabauken gelten und auch so erzogen werden; zum Teil, so Winter, rühre das daher, dass Jungen – anders als Mädchen – fiktive Vorbilder haben, aber keine entsprechenden Gegenüber in der realen Welt. Sie können also nur schwer unterscheiden, ob der Held aus einem Buch oder einem Film in der tatsächlichen Welt so vorkommt und so reagiert – zumal Erzieher oder Grundschullehrer sehr selten männlich sind.

Jungen brauchen klare Strukturen

Jungen brauchen klare Strukturen und „Autorität im positiven Sinn“, so Winter. Macht- und Ringkämpfe sollen sie ausfechten können, ohne dass Erwachsene immer sofort einschreiten. In die Beziehungsarbeit mit Jungen müsse viel Energie investiert werden, so eine weitere Forderung. Aber zugleich warnt Winter davor, den Fokus zu sehr auf die Jungen zu legen, die „problematisch“ sind, und dadurch die anderen Jungen und die Mädchen aus dem Fokus zu verlieren.

Winters Vortrag ließ viel Raum für Diskussion und Rückfragen. Die Lehrkräfte sind mit zahlreichen Ideen und Überlegungen in ihr schulisches Umfeld zurückgegangen, die sie nun umsetzen möchten. So ist gerade eine weitere Veranstaltung zum Thema Jungen mit der Zielgruppe der Eltern in Planung.

Das Bild zeigt das Cover von Reinhard Winters Buch „Jungen brauchen klare Ansagen. Ein Ratgeber für Kindheit, Schule und die wilden Jahre.“

brid/27.01.2017