Wenn Fantasiewelten im Kopf entstehen: Seit 15 Jahren gibt es im Heinrich Pesch Haus die Erzählwerkstatt. Entstanden ist sie im Rahmen der „Offensive Bildung“, einer Initiative der BASF SE zur frühkindlichen Bildung. Längst hat sich daraus ein etabliertes Programm entwickelt – dazu gehören Erzähl-Fortbildungen, neun Internationale Erzählfeste und „Geschichten bei Kerzenschein“.

15 Jahre Erzählwerkstatt im HPH

„Das Heinrich Pesch Haus hat dem Erzählen ein Zuhause gegeben“, sagt Ulrike Gentner, Direktorin Bildung des HPH. Erzählen ist die älteste Form der Weitergabe von Weisheit, Werten und Wissen. „Wir freuen uns, mit einem kompetenten Team diese alte Tradition lebendig halten zu dürfen. Denn Geschichten können Modellcharakter haben, und reichhaltig sind die kulturellen Schätze, die in Geschichten ruhen.

Im Dezember 2005 ging die „Offensive Bildung“ der BASF SE an den Start – eines der Projekte zur frühkindlichen Bildung war die Erzählwerkstatt. Pädagogische Fachkräfte wurden im Erzählen geschult und bei der praktischen Umsetzung unterstützt. Von Anfang an dabei war Thomas Hoffmeister-Höfener. Der professionelle Geschichtenerzähler ist der künstlerische Leiter der Erzählwerkstatt im Heinrich Pesch Haus.

Highlights der Erzählwerkstatt

„Eines der Highlights der Erzählwerkstatt sind für mich die Fortbildungen für Erzieher*innen“, sagt er. Es sei sehr schön gewesen zu sehen, mit welcher Begeisterung die Kita-Mitarbeitenden das Thema Erzählen aufgriffen haben und wie sich ihre Persönlichkeit dabei entwickelt habe. „Ich habe so schöne Beispiele erlebt, wie Menschen durch das Erzählen Selbstbewusstsein und einen anderen Blick auf Kinder bekommen haben. Das Erzählen hat ihnen viel gegeben“, berichtet er.

Neben den Fortbildungen ist Thomas Hoffmeister-Höfener auch zu Gast in den Kitas der Region gewesen. Immer im Gepäck: sein rotes Erzählzelt. Dabei hat er beobachtet, wie das Erzählen in den Kitas einen Platz gefunden hat und wie auch die Eltern vom Erzählen angesteckt worden sind. Nicht zu vergessen die Internationalen Erzählfeste Metropolregion Rhein-Neckar, unterstützt von der BASF SE, die er von Beginn an begleitet hat. Im September findet bereits dies zum neunten Mal statt. Auch damit verbindet er positive Erinnerungen wie eine „Lange Nacht“ auf einem Rheinschiff, oder – „unvergessen“ – das Erzählerdorf im Park des Heinrich Pesch Hauses zum 10-jährigen Jubiläum der „Offensive Bildung“ wie der Erzählwerkstatt im HPH.

Erzählen wirkt auf vielen Ebenen

Für ihn persönlich sind die vergangenen 15 Jahre eine Möglichkeit gewesen, an einem Ort länger zu wirken, die Kitas zu begleiten und etwas wachsen zu sehen. „Wir haben gesehen, was Erzählen alles bei Kindern bewirkt und auf wie vielen Ebenen es wirkt“, so Hoffmeister-Höfener. Das habe auch die wissenschaftliche Begleitung des Projekts bestätigt.

In den vergangenen Monaten konnte er – wie so viele andere Künstler*innen auch – pandemiebedingt nicht live auftreten. In dieser Zeit hat der Erzähler versucht, seine Geschichten digital zu erzählen und Erzählvideos produziert. „Es ist ein Versuch, Kontakt zu halten, mehr nicht. Aber ein Video bleibt eindimensional und kann das eigentliche Erleben nicht ersetzen“, sagt er.  Denn beim Erzählen passiert so viel mehr zwischen Erzähler*in und Zuhörenden: „Wenn ich erzähle, dann teilen wir den Raum, dann passieren viele Dinge: das sinnliche Erleben, das spontane Reagieren, die Kontaktaufnahme. Es entsteht ein Gemeinschaftsgefühl und ein Gefühl von Bindung“, zählt er auf. „Wenn ich Menschen eine Geschichte erzähle, produzieren wir diese gemeinsam. Es entstehen bei jedem Bilder im Kopf. Das ist es, wenn Menschen meinen, ich war wie verzaubert.“ Das passiere auf digitalem Wege nicht, da könne man die Geschichte nicht „sehen“.

Wenn im Kopf etwas passiert

In den 15 Jahren hat Thomas Hoffmeister-Höfener beobachtet, wie sich das Rezeptionsverhalten der Kinder verändert hat. „Je mehr sie dem digitalen Bilderwust ausgesetzt sind, um so schwieriger ist es für Kinder, ruhig zu werden, sich zu konzentrieren und die Geschichte zu sehen“, sagt er. Das sei durch die Corona-Pandemie noch verschärft worden. Hier gelte es anzusetzen und den Kindern den Weg in die „wunderbare Fantasiewelt der Geschichten“ zu zeigen. „Es ist schön zu sehen, wie Kinder es schaffen, sich auf Geschichten einzulassen. Und man sieht an den Augen, dass im Kopf etwas passiert. Das ist so schön und man ahnt, was das für ein Reichtum ist“.

„Denn Kinder brauchen Geschichten. Das mündliche Erzählen ist ein wichtiges Instrument zur Sprachförderung, Kommunikation und Stärkung des interkulturellen Dialogs. Unsere Fortbildungsangebote zielen auf eine nachhaltige Förderung der Erzählkultur“, betont Kerstin Hofmann, Leiterin der Familienbildung im HPH. (ako)


Im Herbst bietet das HPH zwei Fortbildungen zum Erzählen an: