„Jetzt leg doch mal das Handy zur Seite“, „Noch 10 Minuten, dann ist aber Schluss“ oder ähnliche Diskussionen kennen viele Familien. Der Medienkonsum der Kinder und Jugendlichen ist gestiegen. Ist das gut? Und was macht das mit den Familien?
Neben reiner Freizeit, die Kinder und Jugendliche am Handy und Tablet verbringen, müssen sie wegen der Pandemie viel mehr schulische Aufgaben zuhause digital erledigen. Digitalisierung, das Wort in aller Munde. Ich werde bei Vorträgen zu dem Thema oft von Eltern angesprochen, die diese Situation überfordert und traurig macht. Sie fühlen sich machtlos und in ihrer Erziehungskompetenz geschwächt.
Vorbild sein
Ich erinnere mich noch sehr gut an einen Vater, der vor meinem Vortrag auf mich zukam und mich um Ratschläge bat, wie das Handy seines Sohnes vom Esstisch verschwindet. Gerne wollte ich darauf eingehen. Um dann festzustellen, dass besagter Vater während meiner kompletten Ausführungen mit seinem Handy beschäftigt war.
Eltern müssen ihren eigenen Medienkonsum reflektieren. Kinder unterscheiden dabei nicht, welche Zeit für einen beruflichen oder privaten Kontext genutzt wird. Seien Sie Vorbild – stellen Sie zum Beispiel eine Box in die Küche, in der alle Handys/Tablets der Familie während des Essens verschwinden.
Früher war alles besser?
Das Vorurteil, Kinder spielen nicht mehr mit Freunden oder gehen nicht mehr nach draußen, hält sich beharrlich. Wie Studien belegen, stimmt dies nicht. Zu den Lieblingsbeschäftigungen von Kindern zählt nach wie vor, sich mit Freunden zu treffen, und auch die Zeit draußen kommt in den meisten Familien nicht zu kurz.
Es darf allerdings nicht vergessen werden: Das Handy ermöglicht es auf neue Art, Kontakte zu halten und Verabredungen zu vereinbaren. Die digitalen Möglichkeiten sind da und ich finde es durchaus richtig, wenn Kinder ab der weiterführenden Schule ein Handy besitzen, um hier im sozialen Miteinander nicht abgehängt zu werden. Das muss allerdings nicht das neuste Handymodell sein! Kinder müssen hier auch lernen, dass Handys und Tablets Wertgegenstände sind, auf die es zu achten gilt.
Regeln vereinbaren – Sicherheitsstrukturen schaffen
Genau wie in vielen anderen pädagogischen Bereichen ist es auch beim Medienkonsum wichtig, gemeinsame Regeln festzulegen. Am besten macht man diese Regeln sichtbar: In der Grundschule können die Kinder beispielsweise jeden Morgen drei Striche auf eine Tafel malen. Hat das Kind nun 30 Minuten Medienzeit täglich zur Verfügung, bekommt es die Aufgabe, nach jedem Kurzfilm einen Strich auszuwischen. So wird Medienzeit sichtbar und erscheint weniger willkürlich. Für ältere Kinder bieten sich hier Mediengutscheine an, die eingelöst werden können. Bleiben Sie bitte konsequent. Jeder Elternteil kennt die Rehaugen seines Kindes mit denen es „bitte nur noch fünf Minuten“ ausdrücken möchte.
Doch die zeitliche Komponente ist ein Faktor, die inhaltliche ein wesentlicher anderer. Ich bin der festen Überzeugung: Bei Zeitkontingenten kann man auch mal flexibel sein. Sind wir mal ehrlich – die zehn Minuten extra Ruhe für sich selber oder um etwas zu erledigen sind oft unschlagbar , bei den Inhalten ist Konsequenz unumgänglich.
Die Medienwelt entwickelt sich dermaßen rasant, es wäre ein Trugschluss zu glauben, dass wir unseren Kindern hier immer einen Schritt voraus sein könnten.
Unumgänglich sind Sicherheitssysteme für jegliche digitale Medien. Diese gibt es mittlerweile bei allen Herstellern. Dort können Sie für Ihr Kind Zeiten freischalten, Sie bestimmen, welche Apps ihr Kind herunterladen darf, welche Internetseiten freigeschaltet sind und müssen kostenpflichtige Angebote aktiv erlauben. Hier gibt es für mich keine Alternative, denn das Internet ist kein rechtsfreier Raum.
Das wichtigste: Bleiben Sie im Gespräch mit Ihren Kindern
Kinder werden negative Erfahrungen mit der digitalen Welt machen. Digitales Mobbing etwa ist ein besorgniserregendes Phänomen, das zunimmt. Die Wahrscheinlichkeit, dass Kinder mit Inhalten konfrontiert werden, die nicht altersgerecht sind, ist ab dem Eintritt in die Schule hoch. Zeigen Sie Interesse und geben Sie ihrem Kind auch hier das Gefühl, mit jeglicher Erfahrung zu ihnen kommen zu können. Hier immer wieder Gesprächsangebote zu bieten und Interesse an dem Erlebten zu zeigen, ist die Basis von Medienerziehung. Lassen Sie ihr Kind Ihnen doch einfach mal zeigen, wie sein Spiel funktioniert, das es so gerne zockt. Planen sie vielleicht auch gemeinsame Online-Spielzeit ein und signalisieren Sie hier Interesse.
Das digitale Zeitalter ist in meinen Augen ein Segen. Es eröffnet uns Welten, die ohne das breite Spektrum an Medien verschlossen blieben. Es verlangt von uns aber aktive Auseinandersetzung mit einem unübersichtlichen Thema, bewusste Entschleunigung, wenn wir diese brauchen und eine neue Dimension, Erziehung zu gestalten.
Jana Sand
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