„Das kalendarische Alter eines Jugendlichen entspricht nicht immer seiner psychischen Reife.“ Oder: „Bis 25 besteht noch Hoffnung“. Es waren Sätze wie diese, mit denen Dr. Michael Hipp rund 240 Teilnehmende am Fachtag „Verhaltenskreative Jugendliche“ im Heinrich Pesch Haus in seinen Bann zog. Der Leiter des Sozialpsychiatrischen Dienstes im Landkreis Mettmann verstand es hervorragend, Ursachen, Folgen und Handlungsmöglichkeiten bei Jugendlichen, die auffällig und „störend“ sind, anschaulich zu erklären.

Der Tag entstand aus der Praxis, erläuterte Ulrike Gentner, Leiterin der Familienbildung im Heinrich Pesch Haus, in ihrer Begrüßung. Mitarbeitende in Schulen, Jugendarbeit, offenen und ambulanten Einrichtungen der Jugendhilfe sprechen über junge Menschen, die unangepasst, systemsprengend, grenzüberschreitend und „manchmal für uns alle schwer zu verstehen“ sind, die eine Herausforderung darstellen und viel Kraft kosten. Ziel des Tages sei, Hintergründe zu verstehen, Zusammenhänge zu erkennen, entspannt zu bleiben und mit den jungen Menschen passende Lösungen zu finden.

Wurzeln für ein gesundes Aufwachsen

Dr. Michael Hipp gründete seinen Vortrag auf die Erfahrung, „dass schon im frühkindlichen Bereich die Wurzeln für ein gesundes Aufwachsen entstehen“ – und umgekehrt, dass das spätere Verhalten von Kindern und Jugendlichen mit „bindungstraumatischen Erlebnissen“ in den ersten Lebensjahren zusammenhängen und entscheidenden Einfluss auf die Entwicklung der Hirnstruktur haben können.

Diesen Zusammenhang belegte er mit zahlreichen theoretischen Erkenntnissen und Informationen. Doch bei dieser Beschreibung blieb er nicht stehen, sondern zeigte sehr realitätsnah die möglichen Folgen auf und benannte Handlungsmöglichkeiten und Interventionsstrategien. So erzählte er etwa exemplarisch, wie zwei Kinder in einem schwierigen familiären Umfeld mit traumatischen Erlebnissen umgehen: der Junge durch Aggressivität und Wut, das Mädchen durch übermäßiges Angepasstsein; wie sich das in der Schule, in der Pubertät bis hin ins Erwachsenenalter auswirken kann; er ging auf Möglichkeiten der Intervention ein und erläuterte auch sehr anschaulich, weshalb viele gut gemeinte Maßnahmen von Beginn an zum Scheitern verurteilt sind.

Dass die Ausführungen des Experten so aufeinander aufbauten, kam bei den Teilnehmenden der Tagung sehr gut an. In seinen Beispielen griff er ihre eigenen Erfahrungen aus vielen verschiedenen Bereichen auf. Der Referent wiederum freute sich über die große Resonanz und die Diskussionsfreude unter den Fachkräften.

In den Workshops wurden die Inputs von Dr. Michael Hipp vertieft. Themen waren, wie Hilfeplanung mit Jugendlichen in kritischen Lebenssituationen gelingen kann, welche Rahmenbedingungen in stationären Settings hilfreich sind, welche Alternativen sich in Schulen bieten, was in der offenen Jugendarbeit benötigt wird, was junge Menschen brauchen, um Regeln zu verstehen und einzuhalten, und wie mit Jugendlichen und ihren Eltern gemeinsam neue Wege gefunden werden können, damit ein gelingendes Zusammenleben möglich wird.

Fachleute aus vielen verschiedenen Einrichtungen und Institutionen leiteten diese Workshops. Erneut zahlte sich aus, dass die Fachtagung in Kooperation entstanden war und durchgeführt wurde: mit Jürgen May vom Stadtjugendamt Ludwigshafen, Sabine Buckel aus dem Ludwigshafener Zentrum für individuelle Erziehungshilfen sowie Sabine Heiligenthal von der Jugendförderung und Erziehungsberatung der Stadt Ludwigshafen.

Den Vortrag von Dr. Michael Hipp steht hier zum Download bereit.